i Viel genutzt Mehr als ein Viertel (27 Prozent) der im Auftrag des Verbraucherzentra le Bundesverbands vom Meinungsforschungsins titut Forsa befragten Lehr kräfte hat im Unterricht schon von Unternehmen oder unternehmensnahen Organisationen konzipierte Lehr- oder Lernmaterialien eingesetzt – vor allem bei naturwissenschaftlichen, sach- und sozialkundli chen oder Finanzthemen. tiven kennenlernen und ökonomische Zusammenhänge verstehen“, erklärt Karin Odry. „Wir fühlen uns dem Beutelsbacher Konsens verpflichtet.“ Zudem unterstützt die Stiftung Lehrkräfte darin, fundiertes Wissen aufzubauen, damit sie frei verfügbare Unterrichtsmaterialien besser beurteilen können. In 30-minütigen Fortbildungsvideos, sogenannten MOOLs (Massive Open Online Lectures), geben Professoren verschiedener Fachrichtungen knappe, pointierte Einführungen in wichtige lehrplanrelevante Wirtschaftsthemen. Auf diese Weise erhalten Lehrerinnen und Lehrer auch Einblicke in aktuelle Erkenntnisse der Wirtschaftswissenschaften und können diese in ihren Unterricht einfließen lassen. Lehr- und Lernmaterialien als Türöffner Dass kostenlose Lehr- und Lernmaterialien dem Lobbyismus an Schulen Tür und Tor öffnen, befürchtet Tim Engartner. Der Professor für Didaktik der Sozialwissenschaften an der Goethe-Universität Frankfurt und Direktor der Akademie für Bildungsforschung und Lehrerbildung (ABL) hat sich in zwei Studien mit dem Einfluss von Unternehmen in Schulen befasst und dabei vor allem kostenlose Unterrichtsmaterialien unter die Lupe genommen. „Die Unternehmen haben die Schule als Werbeplattform für sich entdeckt. 20 von 30 DAX-Unternehmen produzieren Unterrichtsmaterialien, einige sogar schon für Kindergartenkinder“, kritisiert Professor En- gartner. Die Schule sei längst kein werbe freier Schonraum mehr, obwohl Werbung in Schulen eigentlich verboten sei. Im Internet sind rund 800.000 kostenlose Lehrmaterialien – meist von Unternehmen bzw. deren Verbänden oder von Stiftungen – abrufbar. Diese Materialien werden – anders als Schulbücher – in der Regel weder durch die Kultusministerien noch durch Gremien wie Lehrer- oder Schulkonferenz geprüft. Die Lehrerinnen und Lehrer müssen also selbst kontrollieren, ob die eingesetzten Materialien fachdidaktisch, inhaltlich und methodisch den Qualitätsanforderungen genügen. „Dazu bleibt im Schulalltag oft keine Zeit. Und es überfordert selbst Lehrkräfte mit einer entsprechenden Fakultas, also einer Lehrbefähigung für das jeweilige Unterrichtsfach“, erklärt Professor Engartner. Noch schwieriger ist die Beurteilung für die Lehrerinnen und Lehrer, die Politik und/oder Wirtschaft fachfremd unterrichten. Prof. Dr. Mario Mechtel von der Leuphana Universität Lüneburg erklärt im Lehr video Grundlagen der Verhaltens ökonomik. Lehrkräfte nutzen die kostenlosen, gut aufbereiteten Unterrichtsmaterialien gerne. „Das geht zulasten von Interessengruppen, die nicht über die nötigen Ressourcen für schulische Lobbyarbeit verfügen – z. B. Wohlfahrts- und Umweltverbände oder klassische Nichtregierungsorganisationen“, befürchtet Engartner. Um den Lobbyismus an Schulen einzudämmen, plädiert er für eine bundesweit agierende Prüfstelle für Unterrichtsmaterialien. „Zumindest müssten die Schul-, Kultus- und Bildungsministerien länderü bergreifende Vereinbarungen bezüglich der (Un-)Zulässigkeit von Lehr- und Lernmaterialien treffen“, fordert er. Außerdem sei es nötig, Lehrkräfte in der Aus- und Fortbildung für das Thema Lobbyismus zu sensibilisieren und für die Analyse der Lehrmaterialien zu qualifizieren: „Nur wenn sie lernen, lobbyistisch gefärbte Unterrichts materialien zu erkennen, können sie eine sachgerechte Auswahl treffen.“ Eva Walitzek 22 bildungSPEZIAL 2| 2020 © Joachim Herz Stiftung
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