KI erleichtert Fortbildung Ich bin Justus, dein digitaler Fortbildungsassistent Lehrerinnen und Lehrer wissen, wie man lernt, also sollten Fortbildungen für sie kein Problem sein. Stimmt leider nicht uneingeschränkt, denn häufig gelingt es nicht, die Inhalte der Fortbildung nachhaltig in die eigene Unterrichtspraxis zu transferieren. Zu oft konkurriert die Fortbildung mit vielen anderen Herausforderungen im beruflichen Umfeld, die alle in ein knappes Zeitbudget gezwängt werden müssen. Ein Chatbot mit künstlicher Intelligenz (KI) namens Justus soll helfen. D er Lehrkräftemangel hat zur Folge, dass immer mehr Quereinsteigerinnen und Quereinsteiger unterrichten, die über sehr unterschiedliche Qualifizierungen verfü gen. Um diese Heterogenität auszugleichen, braucht es Fortbildungen. Das gilt vor allem in den MINT-Fächern. Laut Steven Beyer, wis senschaftlicher Mitarbeiter des math.media. lab an der Humboldt-Universität zu Berlin, müsste statistisch in Berliner Grundschulen bereits ein Fünftel der Unterrichtsstunden im Fach Mathematik von Fachfremden gegeben werden, um den Unterricht abzusichern. „Das ist jedoch je nach Lage der Schule sehr un terschiedlich; in manchen kann es auch noch mehr sein“, ergänzt Beyer. Der Grundschul pädagoge forscht auch zum KI-Einsatz beim Lernen. Neben dem Quereinstieg wirken auch gesell schaftliche Querschnittsthemen wie Digitali sierung, Inklusion, Klima oder Nachhaltigkeit auf die Schule ein. Sie werden zunehmend in die Unterrichtspraxis integriert, wodurch wiederum ein erhöhter Fortbildungsbedarf für Lehrerinnen und Lehrer entsteht. Diesen Bedarf in das tägliche Berufsumfeld zu inte grieren, ist jedoch alles andere als einfach. Es gibt vielfältige Lerngelegenheiten, ständig wird zwischen unterschiedlichen Kontexten gewechselt, es herrscht hoher Entschei dungs- und Handlungsdruck, sodass Aufga ben nicht nach einem festen Muster erledigt werden können. „Lehrkräfte arbeiten mit Ziel konflikten“, sagt Beyer. „Selbst wenn sie mo tiviert sind, sich fortzubilden, haben sie mit etlichen Hürden zu kämpfen und brauchen geeignete Unterstützung.“ Drei Phasen der Fortbildung Für Fortbildungen gibt es zwar unterstüt zende Maßnahmen, die jedoch aus Sicht des Forschers nicht ausreichen. „Personen gebundene Unterstützungsleistungen sind sehr ressourcenintensiv, allerdings fehlt es auch hier an Personal. Daher können sie situ iertes Lernen in der Schule nur unzureichend abdecken“, erklärt Beyer. Eine Fortbildung hat nicht nur den Zweck, dass sich die Lehrkraft mit einem neuen Thema befasst. Sie sollte auch Wege auf zeigen, wie das neue Wissen sinnvoll in den Unterricht integriert werden kann. An diesem Transfer scheitern jedoch viele Lehrkräfte. „Eine One-Shot-Fortbildung am Nachmittag ist nicht nachhaltig genug“, kritisiert Beyer. Er plädiert für eine stärkere Verschränkung von Input, Erprobung und Reflexion. „Es braucht eine Phase, in der man neuen Stoff kennenlernt, eine weitere, in der man ihn ein setzen und damit eigene Erfahrungen in der Schule sammeln kann, sowie eine dritte, in der man im Nachhinein vor allem mit ande ren die ersten beiden Phasen reflektieren kann“, erklärt Beyer. „In einem System, das ohnehin schon an mangelnden Ressourcen leidet, sind dies zusätzliche Herausforderun gen, die auf die Lehrkräfte zukommen.“ Datengrab Lernplattform Man sollte sich zudem von der Illusion be freien, dass die Lehrerfortbildung ein Selbst läufer ist, weil hier Profis am Werk sind, die sich mit Lernen auskennen. Insbesondere die Erprobungsphase verlangt von den Lehr kräften ein hohes Maß an Selbstorganisa tions- und Mediennutzungskompetenz – sei es, weil Instruktionen oder die Begleitung durch Dozierende schlicht fehlen oder weil die Fortbildung zusätzlich zu allen anderen Tätigkeiten der Lehrkraft stattfindet und kei ne Freistellung von anderen Aufgaben er folgt. So ist die Integration einer Fortbildung in den beruflichen und schulischen Alltag eine der zentralen Herausforderungen für ihren Er folg. Deshalb erlebten in jüngster Vergan genheit auch digitale Angebote aus dem Bereich E-Learning einen wahren Boom. Sie verringern zwar die Abhängigkeit von Zeit und Ort. „Diese Angebote sind allerdings formalisiert“, erläutert Beyer. „Sie sind nicht für das situierte Lernen in schulischen Erpro bungsphasen ausgelegt und zudem häufig anregungsarm.“ Das führt dazu, dass es Un mengen an Lernmaterial für die Fortbildung von Lehrkräften gibt, aber nur wenige dieses Material auch für sich zu nutzen wissen. So wird die digitale Lernplattform zum Daten grab. Situiertes Lernen unterstützen Hinzu kommt, dass auch digitale Unterstüt zungsangebote an den Problemen kranken, die man bereits von analogen Angeboten kennt. Auch bei einer Videokonferenz ist man ebenso wie bei einem Coaching, bei Sprech stunden oder Supervisionsgruppen von ande 42 bildung SPEZIAL 2| 2021
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