Alle Schülerinnen und Schüler sollen täglich mit ihren Tutorinnen und Tutoren Kontakt ha ben. „Ich habe meine Klasse jeden Tag gese hen“, sagt Christopher Pabel und fügt hinzu: „Wenn ein Kind allerdings nicht erreichbar sein will, ist es schwer, Kontakt zu halten.“ Das gelang während des Wechselunterrichts besser. „Selbst Kinder, die dem Videounter richt fernblieben, kamen zur Schule – und nahmen auch wieder am Videounterricht teil, wenn man sie auf ihr Fehlen angespro chen hat.“ Beim Wechselunterricht wurden die Unter richtsstunden teilweise gestreamt, also per Video übertragen, sodass auch die andere Hälfte der Klasse den Unterricht zu Hause mitverfolgen konnte. Den Unterricht in den halbierten Klassen mochten, so die Erfah rung der IGSLehrer, eigentlich alle Schüle rinnen und Schüler. Vom Distanzunterricht profitierten dagegen vor allem die älteren und die stillen Kinder, die in der Klasse nor malerweise wenig sagen. „Sie sind oft aufge blüht und haben sogar bessere Leistungen erzielt“, stellt Christopher Pabel fest. Berufsschule Hamburg „Die Pandemie hat Deutschlands Schulen kalt erwischt.“ Diese Aussage des OECD Bildungsdirektors Andreas Schleicher kann Tim Ortak, Lehrer an einer Berufsschule in Hamburg, bestätigen. Die technische Aus stattung vieler seiner Schülerinnen und Schüler der Berufsvorbereitungsklasse AVM Dual (Arbeitsvorbereitung für Migrantinnen und Migranten) beschränkte sich im ersten bundesweiten Schullockdown auf ihr Smart phone. Und so unterrichtete und betreu te Tim Ortak die Jugendlichen im Frühjahr 2020 vorwiegend per Telefon, Chat, E-Mails und gelegentlich in Einzelgesprächen. „Man che Jugendliche haben das Unterrichts material in der Schule abgeholt und wieder zurückgebracht, weil sie zu Hause weder Computer noch WLAN hatten“, erinnert sich der Berufsschullehrer. Dabei ist für seine Schülerinnen und Schüler der direkte Kontakt zu Lehrkräften und Mit schülern – ob persönlich im Klassenzimmer oder digital per Videokonferenz – beson ders wichtig: Viele leben noch nicht lange in Deutschland und brauchen gute sprachliche Förderung. Sie haben mitunter Schwierigkei ten, schriftliche Arbeitsanweisungen und Un terrichtsmaterialien zu verstehen. Bevor sie die Aufgaben lösen können, müssen oft zu erst Vokabeln erklärt und Verständnisfragen geklärt werden. „Mimik und Gestik sind im Unterricht in diesen Lerngruppen ebenfalls sehr wichtig“, erklärt Tim Ortak und fügt hin Am Tablet lernt es sich besser als am kleinen Smartphone-Bildschirm. © Neue IGS Göttingen - Pabel zu. „Die Jugendlichen brauchen eine gute Lernatmosphäre, Zeit und Ruhe, um die Lern inhalte aufnehmen zu können. Und sie brau chen geschützte Räume. Dies alles fiel im ersten Lockdown komplett weg.“ Kommunikation via LMS Zu Beginn des Schuljahrs 2020/21 wurde vieles besser: Die Schule organisierte Leih iPads für alle Schülerinnen und Schüler, die keine eigenen Computer oder Tablets hatten; auch die Lehrkräfte erhielten Dienstgeräte sowie eine Einführung in die Lernplattform „LMS.lernen.hamburg“ (Moodle) und in das Videokonferenztool BigBlueButton. Die Schulbehörde stellt die datenschutz konforme Lernplattform für alle Hambur ger Schulen bereit. Lehrkräfte, Schülerinnen und Schüler können mit LMS ortsunabhän gig auf unterschiedlichen Endgeräten ar beiten. Sie können zum Beispiel über Chats und BigBlueButton miteinander kommuni zieren, Unterrichtsmaterialien teilen, Aufga ben abrufen, die sie dann gemeinsam mit anderen oder allein bearbeiten. Der Unter richt fand daher während des zweiten Lock downs vorwiegend per Videokonferenztool statt, teilweise gab es täglich mehrere Video konferenzen. Mit dem reinen OnlineUnterricht kamen nach Einschätzung des Berufsschullehrers besonders die leistungsstarken Schülerin nen und Schüler gut zurecht. „Sie haben sich auch in den Videokonferenzen aktiv be teiligt“, sagt er. Mit dem Wechselunterricht hat er wie seine Kolleginnen und Kollegen durchweg sehr gute Erfahrungen: „Die Ju gendlichen haben in den kleinen Gruppen konzentrierter gearbeitet und dadurch viel mehr gelernt als im gleichen Zeitraum in der ganzen Klasse. Auch leistungsschwächere oder etwas stillere Schüler trauten sich, ak tiv am Unterrichtsgeschehen teilzunehmen, und kamen zu Wort.“ Störungen und Konflik te gab es, wenn überhaupt, viel seltener. „Das war sehr förderlich für den Unterricht und fürs Klassenklima“, sagt Tim Ortak. Die Erfahrungen aus der Pandemie sollten seiner Meinung nach genutzt werden, um Schule neu zu denken und Konzepte zu er arbeiten. „Man sollte versuchen, den Klein gruppencharakter beizubehalten. Denn in kleinen Gruppen können die Lerninhalte ef fektiver vermittelt werden; der Präsenzunter richt kann dadurch verkürzt werden.“ Die frei werdende Zeit steht dann für Sport, kreati 38 bildung SPEZIAL 2| 2021
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