Page number 42

pädagogik Die Feedbackschreiben zeigen, aus welcher Perspektive Feedback zu einer Aufgabe oder einem Problem gegeben werden kann wenn man bei einer Frage nicht weiterkommt. Eine andere Person kommt für ein Peer-to- Peer-Feedback dazu. Als Beispiel: Nach der Lektüre eines Romans wird von einer Schüle- rin ein Prototyp der Hauptaussage des Kapi- tels erstellt. Das kann ein Bauwerk aus LEGO sein, das die Kernaussage darstellen soll. Die- sen Prototypen stellt sie am Feedbacktisch vor, das Gegenüber ergänzt. Diese Ergänzun- gen nimmt sie auf, baut einen neuen Proto- typen, vielleicht aus einem anderen Material, der beide Aussagen oder Sichtweisen vereint. Am Feedbacktisch als Meeting Point holt sie ein weiteres Feedback aus einer zusätzlichen Perspektive ein, sodass ein iterativer Prozess entsteht, der letztlich in einem angereicher- ten Ergebnis endet. Dahinter steht die Moti- vation, problem­lösendes Denken zu fördern, Lernprozesse ge-meinschaftlich zu denken und den gesamten Lernprozess stärker als das Endprodukt, als Ziel zu begreifen. Die Feedbackscheiben wurden in einem Pro- zess mit Kindern entwickelt und mit dem La- sercutter hergestellt. Sie zeigen, aus welcher Perspektive Feedback zu einer Aufgabe oder einem Problem gegeben werden kann. Der innere Kreis gibt an, welche Position vom Gegenüber eingenommen werden soll, als Projektbeteiligte:r, als Außenstehende:r oder als Mitgestalter:in. Der äußere Kreis be- schreibt, welche Haltung die Feedbackperson einnehmen soll, zum Beispiel kritisch oder neugierig-fragend. Auf diese Weise können verschiedene Perspektiven einbezogen und geübt werden, um ein besseres und ausge- reifteres Ergebnis zu erzielen und Einwände von anderen Parteien vorwegzunehmen. Play@heart Am Feedbacktisch erhalten Schüler:innen zusätz- liche Perspektiven, sodass ein iterativer Prozess entsteht, der letztlich in einem angereicherten Ergebnis endet © Kati Ahl Das aktuelle Projekt des Future Classroom Lab trägt den Namen Play@heart. Es ist ei- ne gemeinsame Forschungsinitiative der Uni- versität in Zusammenarbeit mit LEGO. Das Hauptziel besteht darin, Kinder auf das Le- ben in einer zunehmend digitalisierten Welt vorzubereiten und ihnen den Umgang mit Technologien auf spielerische Weise beizu- bringen. Aus diesem Grund handelt es sich bei Play@Heart um ein kommunales Schul- entwicklungsprojekt, das den Schwerpunkt © Kati Ahl auf spielerische Ansätze zur Förderung des Technologieverständnisses legt. Insgesamt nehmen 12 Schulen an diesem Projekt teil, mit dem Ziel, die kreativen und experimentel- len Fähigkeiten der Kinder in Bezug auf ihre Interaktion mit der Welt zu fördern. Im Rahmen der begleitenden pädagogischen Forschung wird untersucht, wie sich das Spiel von Kindern mit digitalen Technologien auf ih- re Entwicklung und ihr Lernen auswirkt. Die Beteiligten dieses Projekts umfassen kom- munale Schulverwaltungen sowie Lehrkräfte und Schulleitungen der ausgewählten Grund- schulen. Obwohl das Hauptaugenmerk auf Pädagog:innen liegt, stehen die Kinder im Mittelpunkt des Entwicklungsprozesses. Ih- re Erfahrungen sowie Überlegungen sind von großer Bedeutung. Langfristig zielt dieses Projekt darauf ab, ei- nen kulturellen Veränderungsprozess voran- zutreiben, der von Kindern, pädagogischem Personal, Schulleitung und Verwaltung glei- chermaßen getragen wird. Dabei sind Expe- rimentieren und Entdecken die treibenden Kräfte einer umfassenden Schulentwicklung, die das Spiel der Kinder und ihre Perspekti- ven ernsthaft berücksichtigt. Der spielerische Lernansatz basiert auf einer pädagogischen Methode, die nicht nur darauf abzielt, Wissen und Fähigkeiten zu vermitteln, sondern auch darauf, Kinder zu erziehen, die neugierig und wissbegierig die Welt erforschen möchten. Technologie und Innovation Exkursionen haben an deutschen Schulen oft einen etwas angestrengten Charakter. Der Ausflug ins Museum oder zum Wald- lehrpfad stellt für Lehrkräfte häufig eine He- rausforderung in Sachen Planung dar, wobei sich der erwünschte Lernerfolg auch nicht immer einstellt. Doch es geht auch anders! In Dänemark sind außerschulische Lernorte fest im Jahresplan verankert und besonders anregend gestaltet. Ein Beispiel dafür ist TekX, ein Learning Hub, den Klassen der umliegenden Schulen regel- mäßig während des Schuljahres besuchen. Hier haben Lehrkräfte gemeinsam mit dem Team vor Ort ein neues Schulfach entwickelt: Technologie und Innovation. Für jede Klas- senstufe gibt es einen Lehrplan, der hier im „Faellesfaglige Forløb“, etwa dem außerschu- lischen Curriculum, abgebildet ist. Das hat den großen Vorteil, dass die Lehrkräfte selbst von externen Partner:innen lernen, gemein- 42 bildung+ schule digital 2 | 2023

Page number 43

pädagogik © Kati Ahl sam das Fach durchdringen und auf Materi- al zurückgreifen können, das nicht an jeder Schule vorrätig ist. Ziel ist, dass Technologie- und Innovations- kompetenzen langfristig in allen Fächer ein- geplant werden und nicht mehr länger in einem zusätzlichen Fach verortet werden sollen. Mehr als nur Hygge Die dänische Hygge-Kultur ist bekannt, regel- mäßig belegt das dänische Volk Platz 2 der Weltrangliste der glücklichsten Menschen nach den Einwohnern Finnlands. Wohlbe- finden ist daher neben Innovationsfähigkeit auch ein wichtiger Faktor in der dänischen Bildung. Es wird als Grundlage des Lernens verstanden. Die Beziehung zu den Lehrkräf- ten wird daher als besonders wichtig angese- hen. So werden zum Beispiel an der Kokkedal Skole jährliche Umfragen zum Wohlbefinden der Kinder und Jugendlichen durchgeführt. Es gibt ausgearbeitete Maßnahmen, die greifen sollen, wenn dies nicht der Fall ist. So wird beispielsweise verabredet, was im Fall von Stress, Mobbing oder familiären Problemen unternommen wird, um die Schüler:innen zu unterstützen. Der Mittelwert aller Befragungs- ergebnisse wird mit den Ergebnissen der Vor- jahre und mit den Werten anderer Schulen verglichen. Einige Schulen veröffentlichen das Ergebnis sogar auf ihrer Homepage in Form eines Rankings ihrer Gemeinde. Natürlich kann die Aussagekraft einer schrift- lichen Befragung infrage gestellt werden. Auffällig ist jedoch die Absicht, das Wohlbe- finden, auf dänisch „Trivsel“, als Grundlage des Lernens besonders in den Vordergrund zu stellen. Dazu gehören auch besonders vie- le Exkursionen und Unternehmungen, um die Beziehung zwischen Lehrenden und Lernen- den zu stärken und interessante Lernanläs- se zu schaffen. Lernen ist aber auch in Dänemark nicht nur Spaß und absichtsloses Spiel. Manche Stim- men, die Schule öffnen wollen, implizieren, dass Lernen auch ungeplant geschieht, so- bald man Lernenden Freiräume zur Verfü- gung stellt. Der Ansatz des PBL, übersetzt als projekt- oder problemorientiertes Ler- nen, verfolgt eine andere Absicht. Hier wer- den Lerngelegenheiten genau geplant, um bestimmte Erkenntnisse zu fördern. Søren Peter Dalby Andersen ist nicht nur Berater der dänischen Schulen, sondern auch Bera- ter der OECD für MINT-Fächer. Er setzt vo- raus, dass Lernen körperlich erlebbar sein muss. So können zum Beispiel die selbst- gebauten Miniflug­zeuge an die Erfahrung zu Auftrieb und Luftströme erinnern und schnel- ler wieder abgerufen werden. Der ehemali- ge Grundschullehrer lehrt heute Lehrkräfte, die Forschungszentren aufbauen und ihren Unterricht verändern wollen (wie die Innova- teket der Kokkedal Skole). Sein Buch „Pro- ject-based learning and innovation in an open school“ wird demnächst auf Deutsch erschei- nen. Führend in Sachen Zukunftskompetenzen Für ein Land, das kaum doppelt so groß wie Hessen ist, aber weniger Einwohner:innen hat, sind das sehr viele innovative Impulse auf kleiner Fläche. So ist es nicht verwun- derlich, dass Dänemarks Schulen führend in Zukunftskompetenzen sind: In einem Dis- kussionspapier diskutiert Charles Fadel, der Leiter des Center for Curriculum Redesign in Harvard, ob PISA die effektivste Methode zur Messung der Zukunftskompetenzen von Ler- Im Learning Hub TekX entstehen für jede Klassenstufe Lehrpläne zu den Themen Technologie und Innovation nenden ist. Konkret schlägt er ein 4D Compe- tencies Ranking vor, in dem Dänemark nach seinen Ergebnissen die Liste der 22 Länder anführt. Welches Ranking man nun auch bevor- zugt, ich empfehle, jede Gelegenheit für ei- ne Bildungsreise zu Dänemarks innovativen Bildungsorten als Impuls für die eigene Pro- fessionalisierung und Reflexion zu nutzen. Kati Ahl i Über die Autorin Kati Ahl ist Bil- dungsexpertin und Autorin und ar- beitet heute als Schulent- wicklungsberaterin. Mehr Infos unter www.katiahl-bildungsreisen.de. © Kati Ahl bildung+ schule digital 2 | 2023 43

    ...