Future Skills © Wikipedia Sollten dennoch vereinzelte Bevölkerungsan - teile sich überfordert fühlen durch die Anfor - derungen einer digitalen Verwaltung, gilt es, politisch bei einzelnen Zielgruppen nachzu - steuern. Dann braucht es eben eine entspre - chend „smarte“ Servicekultur, die gleichwohl die Eigenverantwortung der Individuen ein - fordert, ohne sie zu überfordern. (Und neben - bei die Erkenntnis auf der Entwicklungsseite, dass Digitalangebote so niedrigschwellig wie irgend möglich zugänglich gemacht werden müssen. Ein gutes Digitalangebot muss oh - ne Handbuch oder Online-Kurs nutzbar sein!) Insofern erfreute mich dieser Auftrag, in des - sen Kontext wir die Grundlagen für ein ide - altypisches, digitales Kompetenz-Portfolio für verschiedene Zielgruppen grob entwi - ckeln durften. Es ging uns darum, ein An - forderungsprofil zu entwickeln, was von Menschen unterschiedlicher Altersstufen im 21. Jahrhundert erwartet werden kann, da - mit sie die Potenziale der digitalen Welt so - wohl individuell wie gesamtgesellschaftlich optimal ausschöpfen können. 4 Digitale Kompetenzrahmen Der aus heutiger Sicht weltweit einfluss - reichste Kompetenzrahmen stammt, wie könnte es anders sein, aus den USA. Da dort die nationale Bildungspolitik keinen unmit - telbaren Durchgriff hat auf die Curricula der Schulen, hatte man sich bereits nach dem Sputnik-Trauma und dem Contergan-Desas - ter (ab 1957) auf politischer Ebene überlegt, wie man eine bessere Qualität des For - schungs- und Bildungssystems zugunsten des gesellschaftlichen Gesamtwohls erzie - len könnte. Man berief dazu eine Expertenrunde aus Wis - senschaft und Unternehmen ein, die mittels einer Studie Empfehlungen für Schulen aus - sprachen. Über finanzielle Anreize wurden Schulen dann dazu bewegt, ihre Leistungen entsprechend dieser Expert*innen-Vorschlä - ge auszurichten. Von daher hatte man zum Zeitpunkt, als sich die digitale Revolution abzeichnete, bereits vielfältige Erfahrungen gesammelt, wie man politisch gestaltend auf das Bil - dungssystem einwirken kann. Mit der NGO „Partnership for 21st Century Learning“ (p21.org) wurde schließlich 2002 ein Kon - sortium aus Wirtschaftsvertreter*innen, Bildungsexpert*innen und Berater*innen zu - sammengestellt, das gemeinsam ein Frame - Figure 1 - P21 Framework for 21st Century Learning Abbildung 2: P21 Framework for 21st Century Skills-CC BY-SA 4.0 Charles Fadel and Krishna Chaitanya Velaga work für die sogenannten „21st century skills“ entwickelte und 2006 publizierte. In diesem Framework formierten die 4K (Kre - ativität, Kritisches Denken, Kommunikation und Kollaboration) eine (!) zentrale Säule für das 21. Jahrhundert, nämlich die individuel - le Befähigung zum Lernen und zur Innova - tion – neben den konkreten digitalen Skills, der persönlichen Lebensbefähigung, einem traditionellen Wissenskanon und interdiszi - plinären Gestaltungsfähigkeiten, die sich im Rahmen des bestehenden wirtschaftlichen Systems bewegten. Nahezu zeitgleich veröffentlichte die EU- Kommission ihr Konzept der Schlüsselkom - petenzen für lebenslanges Lernen, um die Bedeutung zentraler Befähigungen fächer - übergreifend quer zum Lehrplan zu beto - nen. Auch hier wurde der „Digital Literacy“ ein Platz unter mehreren eingeräumt, und zwar im funktionalen Sinne, digitale Werk - zeuge und Medien einsetzen zu können, was seitens etablierter Bildungsinstitutionen top- down in sich vertiefenden Modulen zu ver - mitteln und abzuprüfen sei. Es ist ein typisches europäisches Muster: Menschen sollen je nach Bildungsgrad oder akademischem Status dazu befähigt wer - den, konkrete Probleme unterschiedlich kompetent bewältigen zu können. Sie sol - len als Rädchen im großen Getriebe funk - tionieren und weniger dazu grundlegend ermächtigt werden, Situationen zu evozie - ren, um damit potenzielle zukünftige Proble - me transformativ vorgreifend zu lösen (z. B. auch über Entrepreneurship). Erst mit dem europäischen digitalen Kom - petenzrahmen 2018 wurde nachjustiert zu - gunsten einer transformativ wirkenden Digitalität, in der Menschen auch problem - orientiert zusammenarbeiten können sollen, um ggf. selbstbestimmt und initiativ Innova - tionen voranzubringen. Seitdem haben Erwerbsfähige auch in Eu - ropa einen rechtlichen Anspruch darauf, die nötigen Fähigkeiten und Fertigkeiten sich anzueignen, wenngleich weiterhin der po - litische Machtanspruch durchschimmert, dass die EU-Bürger*innen um der internati - onalen Test-Ergebnisse willen über formale Bildungseinrichtungen gelenkt werden sol - len – und damit der Industrie professionel - le Arbeitnehmer*innen zuzuliefern. Besonders in der europäischen Bildungs - geschichte hat sich seit dem individuellen Freiheitsbegriff der Aufklärung (Descartes: „Ich denke, also bin ich“) diese Sichtweise nachhaltig durchgesetzt, volkswirtschaft - lich gewünschte Veränderungsprozesse über bildungspolitisch initiierte Anpassun - bildung+ schule digital 2 | 2021 7
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