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 Keine Angst vorm Elterngespräch Wie junge Lehrer:innen erfolgreich mit Eltern kommunizieren können Sicherlich steht die Schule vor größeren Herausforderungen, aber gerade bei Lehrkräften im Referendariat sorgt der erste Elternsprechtag, oder überhaupt Gespräche mit Eltern, oft für hohen Stress. Das liegt einerseits an der speziel­ len „Dreiecksbeziehung“ zwischen Lehrkraft, Schüler:in und Eltern. Andererseits kommt auf Lehrer:innen auch ein enormer Zeitdruck zu. Deshalb sollten junge Lehrer:innen gut vorbereitet in ein Elterngespräch gehen. I n ihrem Beschluss vom 15. Oktober 2020 verweist die Kultusministerkonferenz (KMK) auf die Notwendigkeit, Eltern in schu- lische Bildungsprozesse mit einzubeziehen. Diese Aufgabe obliegt den Lehrer:innen. Sie müssen entsprechende Partizipationsmög- lichkeiten und Informationsangebote gestal- ten, die alle Eltern ansprechen. Es liegt auf der Hand, dass Schüler:innen bessere Leis- tungen erzielen, wenn Eltern zu Hause ihre Kinder zum Lernen anregen und sich in Bil- dungsprozesse einbringen. Das gilt im Üb- rigen unabhängig vom sozioökonomischen Hintergrund der Eltern. So weit das Ideal partizipierender Eltern. Die Realität sieht indes anders aus. Wenn Noten als ungerecht empfunden werden, die Ver- setzung gefährdet ist oder Probleme zwi- schen Eltern und Kind bestehen, wird das Elterngespräch schnell emotional. Laut ei- ner repräsentativen Forsa-Umfrage im Auf- trag der Robert Bosch Stiftung aus dem Jahr 2018 nannten 21 Prozent der befrag- ten 1.001 Lehrkräfte die Kommunikation mit Eltern als Problem. Am schwierigsten ist die Kooperation mit Eltern offenbar an Grund- schulen: Jede dritte Lehrkraft sieht darin eine der größten Herausforderungen, an den wei- terführenden Schulen der Sekundarstufe I ist es nur jede fünfte. Nur 15 Prozent der Lehr- kräfte am Gymnasium empfinden den Aus- tausch mit Eltern als herausfordernd. Zwischen Desinteresse und Helikoptereltern Die Gründe dafür liegen zum einen in der Elternschaft selbst, deren kulturelle Hinter- gründe und Bezugskontexte immer hetero- gener werden. Es fällt immer schwieriger, Konsens über die grundlegenden Erzie- hungsziele zu schließen. Zum anderen wird in der Ausbildung von Lehrkräften kommuni- kativen Kompetenzen zur Gesprächsführung häufig zu wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Etwas vereinfacht gesagt, muss sich die Lehrkraft sowohl mit Eltern befassen, die sich nur wenig um die Lernerfolge ihrer Kin- der kümmern und den Kontakt zur Schule meiden, als auch mit den oft zitierten He- likoptereltern, die mit ihren Forderungen Lehrer:innen bedrängen. Und dann gibt es noch die dritte Gruppe der Eltern, die erst dann in Erscheinung tritt, wenn die Noten ih- rer Kinder schlecht sind. Wie reagiert man als Lehrer:in also adäquat, wenn Eltern im Gespräch die Lernschwie- rigkeiten ihres Kindes nicht nachvollziehen können, die Schuld dafür bei der Lehrkraft suchen oder gleich das Schulsystem als sol- ches infrage stellen und sich schlicht unko- operativ verhalten? © stock.adobe.com, Mediaphotos Für ein erfolgreiches Elterngespräch ist eine gute Vorbereitung unerlässlich, um Konflikte zu vermeiden und stattdessen den Lernerfolg der Schüler:innen sicherzustellen Die Vorbereitung auf ein Elterngespräch Ganz abgesehen vom Umgang mit schwie- rigen Eltern sitzt den Lehrer:innen auch noch die Zeit im Nacken. Auf dem Eltern- sprechtag folgt Gespräch auf Gespräch. In recht kurzer Zeit müssen Lehrkräfte den El- 16 bildung+ referendare 2023

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LEHRER SEIN tern wichtige Informationen darlegen und so erklären, dass ein Konsens erzielt wer- den kann. Kommt es jedoch zur Diskussion mit uneinsichtigen Eltern, muss die Lehrkraft kühlen Kopf bewahren, weiter sachlich und neutral bleiben und vor allem an der eigenen Position festhalten. Deshalb ist es notwendig, gut vorbereitet ins Elterngespräch zu gehen. Dabei sind zwei Ebenen zu beachten: die Sach- und die Be- ziehungsebene. Auf der Sachebene schildert die Lehrkraft ihre Beobachtungen zum Sozi- alverhalten des Kindes: Welche Verhaltens- weisen sind problematisch, welchen Einfluss hat das auf die Klasse, was haben Sie unter- nommen, um das Verhalten des Kindes po- sitiv zu beeinflussen? Wichtig hierbei ist, die Beobachtungen aus der Ich-Perspektive zu beschreiben und den Eltern zu verdeutlichen, dass es sich dabei um die eigene Perspektive und nicht um all- gemeingültige Dogmen handelt. Ansonsten tappt man als Lehrer:in schnell in die Falle, dem Kind Eigenschaften zuzuweisen, die die Eltern überhaupt nicht nachvollziehen kön- nen – und der Konflikt nimmt seinen Lauf. Darüber hinaus geht es auf der Sachebene auch um den Leistungsstand des Kindes: Wie haben sich die Leistungen (seit dem vergangenen Elterngespräch) entwickelt, welche positiven Eigenschaften besitzt das Kind, wie lauten die nächsten Schritte in der Lernentwicklung. Vermeiden Sie dabei Fach- chinesisch, das die Eltern nicht verstehen. Cool bleiben, auch wenn es einmal hitzig wird Um auch auf der Beziehungsebene souve- rän zu agieren, sollte man sich vor dem El- terngespräch über die eigenen Emotionen in Bezug auf das Kind und die Eltern bewusst werden. Das hilft dabei, negative Gefühle auszublenden und im Gespräch sachlich zu bleiben. Als Lehrer:in ist man in einem Eltern- gespräch Expert:in, wohingegen die Eltern in Bezug auf Pädagogik und Schule Laien sind. Natürlich würde kein Elternteil von sich be- haupten, es sei bei allem, was das eigene Kind angehe, ein Laie. Gerade deshalb muss es der Lehrkraft gelingen, dieses Experten- Laien-Gefälle zu verhindern. Das kann zum Beispiel dadurch gelingen, indem Sie Eltern nicht ins Klassenzimmer „zitierten“. Holen Sie sie stattdessen am Eingang des Schulgebäudes ab und nutzen Sie den Smalltalk auf dem Weg ins Klassen- zimmer, um die Atmosphäre zu lockern. Im Klassenraum sollte sich dann auch niemand anderes als die Eltern und die Lehrkraft be- finden. Für ein Gespräch auf Augenhöhe ist ein runder Tisch ideal. Auf jeden Fall sollten Sie nicht den gewohnten Platz hinter dem Pult einnehmen, während die Eltern auf den Stühlen der Schüler:innen sitzen. Werden die Eltern im Laufe des Gesprächs emotional, zeigen Sie Verständnis, aber blei- ben Sie dabei sachlich. Um nicht gleichfalls emotional zu werden, kann es hilfreich sein, sich vor dem Gespräch nicht nur der eigenen Gefühle zu vergewissern, sondern sich auch bewusst zu machen, mit welchen Gefühlen die Eltern ins Gespräch gehen, mit denen Sie in dessen Verlauf dann eventuell konfrontiert werden könnten. Damit während des Gesprächs das Kind im Mittelpunkt steht und nicht etwa Ihre Lern- methoden, die Klasse oder das Schulsystem als Ganzes, ist es ratsam, den Eltern kon- struktives Feedback zu geben. Mit Rückfra- gen, ob sie das eben Gesagte auch so sehen, vergewissern Sie sich, dass das Gespräch den gewünschten Verlauf nimmt. Nachvollziehbare und realistische Ziele setzen Das Ziel des Elterngesprächs ist es, die Pro- bleme mit deren Kind zu beheben oder den weiteren Lernerfolg sicherzustellen. Dafür sollten am Ende des Gesprächs Ziele formu- liert werden. Idealerweise werden die aber nicht von Ihnen vorgegeben, sondern ge- meinsam mit den Eltern formuliert, um die- se mit ins Boot zu holen. Damit beim nächsten Elterngespräch kei- ne Diskussion um die einst gesetzten Ziele aufkommt, müssen diese möglichst konkret formuliert und am besten auch schriftlich festgehalten werden. Die Terminierung des Folgegesprächs hängt dabei auch vom Zeit- raum ab, der für die Erfüllung der gesetzten Ziele verabredet wird. Natürlich müssen sie auch realistisch sein und gleichermaßen von den Eltern als auch vom Kind akzeptiert wer- den. Wenn Sie die Ziele zudem noch messen oder überprüfen können, sind die Ergebnis- se nachvollziehbar und im nächsten Eltern- gespräch haben Sie die Argumente auf Ihrer Seite. Marc Hankmann bildung+ referendare 2023 17

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