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Chatbots, Lernbots und KI-Systeme im (Schul-)Einsatz Best Practices aus der Praxis mit Mathi, Charlie und Kim Künstliche Intelligenz (KI) in der Bildung, KI in der Schule – kaum ein Tag vergeht, an dem nicht über das Potenzial von KI diskutiert wird. Umso interessanter ist es, den Blick in die Entwicklungsabteilungen und auf den Praxiseinsatz zu richten. Wer entwickelt diese Form von KI-Assistenten und wo stehen wir im Wettlauf um die intelligentesten Dialoge? W ie viel Arbeit und Potenzial hinter der Er- stellung von KI-Systemen in der schu- lischen und betrieblichen Bildung steckt, lässt sich erahnen, wenn man die Fachlitera- tur durchforstet und sich die bundesweiten Stellenanzeigen anschaut. Schon heute fin- den sich die Zukunftsberufe in zahlreichen Ausschreibungen. Vom KI-Manager bis zum Data Scientist werden immer häufiger Profi- le abgefragt, die zwischen bislang getrenn- ten Bereichen agieren. Ganz klar, wir haben es halt nicht mehr mit den klassischen Pro- grammierkenntnissen zu tun, sondern er- leben zunehmend eine starke Verzahnung und Fachwissen aus Mediendidaktik, Päda- gogik, Wirtschaftswissenschaften, IT, Geis- tes- und Naturwissenschaften. Besonders deutlich wird dies in der E-Learning-Branche, denn längst sind wir nicht mehr nur beim Lern prozess an sich, sondern reden inzwischen von Conversational Learning. Das Potenzial von KI nimmt zu. So ergibt die aktuelle Studie des IT-Branchenverbands Bitkom folgendes Bild: Künstliche Intelligenz erlebt in der deutschen Wirtschaft einen spür- baren Schub. Inzwischen nutzen 15 Prozent der Unternehmen und Organisationen KI, vor einem Jahr waren es erst 9 Prozent. Deutlich zurückgegangen ist auch der Anteil unter den Befragten, für die der KI-Einsatz im eigenen Umfeld kein Thema darstellt: von 64 auf 52 Prozent. 68 Prozent halten KI für die wich- tigste Zukunftstechnologie. Rund ein Viertel (23 Prozent) hat zwar noch keine Pläne zur Verwendung generativer KI, kann sich dies aber grundsätzlich vorstellen. Und auch das Qualitätsmerkmal „KI – Made in Germany“ spricht für sich. In Bezug auf den Einsatz von Bots ist die Kur- ve in den letzten Jahren stark angestiegen. Forschungs- und Umfrageergebnisse weisen dabei immer wieder auf vier Merkmale hin, © Technische Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm /time4you.de Der virtuelle „Mathe-Buddy“ Mathi nutzt spielerische Elemente und Storytelling, um die Lernmotivation zu erhöhen die einen guten von einem weniger guten Bot unterscheiden: ▪ Nützlichkeit, ▪ adäquate Interaktionsmuster, ▪ sprachliche Qualität und ▪ hedonische Qualität. Fallstudien: Chat- und Lernbots mit Charakter Mit dem Einsatz von Chat- und Lernbots nimmt nicht nur die Vielfalt zu, das Wissen um solide Didaktik und Erfolgsfaktoren eben- falls. Schauen wir also einmal, womit sich Bots wie Mathi, Charlie, Kim und viele weite- re aus der E-Learning Branche auszeichnen. Rückblende, Sommer 2023: Berlin richtet den internationalen Comenius-EduMedia-Award 2023 aus. Bei der Festveranstaltung ging es unter anderem um den Megatrend Künstliche Intelligenz. Beim eindrucksvollen Vortrag von Prof. Dr. Bardo Berzig von der Universität Pa- derborn wurde schnell klar: KI-Systeme ha- ben jede Menge mit Mediendidaktik zu tun. Und die Entwicklerstädte Karlsruhe und Nürn- berg konnten sich freuen, denn wieder gab es ein gemeinsames Gewinnerprojekt in der be- währten Zusammenarbeit zwischen der Tech- nischen Hochschule Nürnberg Georg Simon Ohm und der Karlsruher time4you GmbH. Der Star des Tages war diesmal ein Bot, denn das begehrte Qualitätssiegel des Comeni- us-EduMedia-Award for digital educational media erhielten die Karlsruher und die TH Nürnberg zusammen mit dem Geschwister- Scholl-Gymnasium aus Röthenbach an der Pegnitz für ihr gemeinsames Projekt namens Mathi. Die Projektpartner nahmen gemein- 20 bildung+ science 2023
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INFORMATIK UND PROGRAMMIEREN sam die Auszeichnung in der Rubrik „Mathe- matische und Naturwissenschaftliche Bil- dung“ entgegen. Mathi ist einer der am Markt verfügbaren Lernbots, der mit viel Sachkenntnis und Lie- be zum Detail entwickelt wurde. Mathi wur- de mit der time4you GmbH im Rahmen ei- ner Masterarbeit unter Leitung von Prof. Dr. Christian Langenbach an der TH Nürnberg zusammen mit Alexander Lehner, Masterand im Studiengang Betriebswirtschaft / Digital Business entwickelt. Der Praxiseinsatz ge- lang sehr schnell und wurde vom Geschwis- ter-Scholl-Gymnasium in den Startlauf ge- bracht. Mittlerweile ist Mathi auf gutem Weg, der Liebling verschiedener Gymnasien zu wer- den. Die technische Umsetzung von Mathi erfolgte mit Jix, der KI-gesteuerten Chatbot- Software für sogenanntes Convers ational Learning von time4you. Der Bot verbindet gekonnt die technischen Fähigkeiten eines Chatbots mit didaktischen Ansätzen und einer guten Portion Storytelling. Dadurch erhalten die Klassen ein nicht nur leicht zugängliches, sondern auch anspre- chendes und unterhaltsames Tool zum Ma- thelernen. Mathi ist also ein virtueller „Mathe-Buddy“, mit dem die Klassen den Lernstoff zum The- ma Bruchrechnen wiederholen und mit Übun- gen weiter festigen können. Dazu agiert er wie ein persönlicher Lehrer bzw. Tutor. Je nach Abschneiden bei den Aufgaben lässt er das Thema noch einmal wiederholen oder geht zum nächsten Thema weiter. Auf diese Weise können die Schulklassen, an- gepasst an ihren Wissensstand und ihr Lern- tempo, den Unterrichtsstoff wiederholen und vertiefen. Zur Erhöhung der Motivation sind Storytelling- und spielerische Elemente in den Dialog integriert. „Mathi ist nicht nur grundsympathisch, er hat aufgrund der spielerischen Grundidee jede Menge Potenzial für Ergänzungsanwendun- i Kostenlose Checkliste Wer sein Wissen zu Bots mit all den Facetten sowie den Dos und Don‘ts vertiefen möchte, kann die Chatbot-Checkliste studieren. Der Be- zug der kostenfreien Checkliste ist online über consulting@time4you.de möglich. Der Chatbot KIM bringt die Grundlagen der Künst - lichen Intelligenz auf Einsteigerniveau näher gen im schulischen Bereich und ergänzt so die Lernbots in diesem Segment“, sagt das Learning-Design-Team bei time4you. Vokabeln lernen und KI-Basiswissen Ein weiterer Bot ist ganz nah dran am Thema Vokabeln Lernen für das Sprachniveau A1-B1. Vokabelbot Charlie fragt nach englischen Vo- kabeln mit je 8 Items je Einheit und trainiert zwischen 5 bis 20 Minuten kontinuierlich den Grundwortschatz bzw. frischt das Wissen auf. Besonders neu ist die Idee mit dem Abfra- gen natürlich nicht. Fachdidaktische Unter- suchungen haben ergeben, dass die meisten Menschen eine Fremdsprache am liebsten lernen, indem sie sich abfragen lassen. Im 24/7-Modus gelingt dies allerdings nur mit Lernbots und wird somit immer beliebter. Bei Charlie ist jedoch relevant, dass im Ge- spräch die Lernziele vereinbart werden. Im Anschluss ans Abfragen und Üben bietet er an, mit den Quizfragen noch tiefer ins Sprach- verständnis einzusteigen. Und zu guter Letzt stellt Charlie den Lernenden einfach eine Fra- ge auf Englisch und leitet damit ganz elegant ein kleines Mini-Gespräch auf Englisch ein. Und wie konzipiert man einen Bot, dessen Hauptthema sich nur um Künstliche Intelli- genz dreht? Beim ebenfalls mehrfach prä- mierten KIM geht es um KI-Basiswissen für alle. Dies wird auf unterhaltsame Art und Wei- se mit vier Themen und einem Wissensquiz realisiert. KIM wird überall dort eingesetzt, wo niedrigschwellig die theoretischen Grundla- © time4you.de gen im Einsteigermodus zu vermitteln sind. Viele weitere Charaktere gäbe es zu beschrei- ben: von Billy, dem Lernbot für den Daten- schutz am Arbeitsplatz oder interaktive Lernspiele mit Pit, der die Prüfungen in Ma- terialkunde übernimmt u. v. m. Charaktersteckbrief Es dreht sich letztlich schon in der Entwick- lungsphase neben der Zielgruppenanspra- che alles um die besondere Seite der Bots. Anders gefragt: Welche Persönlichkeit hat ein Bot? Und wie komme ich dazu, einen Bot zu erstellen? Einige Chatbots haben es nicht ohne Grund in die „Hall of Fame“ geschafft, sie sind also eine vielversprechende Form der Kommunikation. Neben aller medialen Aufregung um die Bots muss man auch sagen: Viele davon schaffen es derzeit noch nicht zu überzeugen, da bisher nur wenige Anwendungen echten Mehrwert bieten und dem kritischen Qualitätscheck standhalten. Die Expertinnen Beate Bruns und Dr. Cäcilie Kowald haben deshalb den Praxisleitfaden Chatbots geschrieben, der als Sachbuch im Print und Digitalformat bei Springer/Gabler erschienen ist und es bereits kurz nach Erscheinen schon auf Bestwerte im Bücherranking in der Rubrik Informations management geschafft hat. Im Praxisleitfaden „Chatbots: Conversation Design für eine bessere User Experience“ lernt man im Schritt-für-Schritt-System den gesam- ten Prozess der Chatbot-Entwicklung kennen. Die Autorinnen können dabei mit ihrem Back- ground aus Informationstechnologie, Philo- sophie, Mathematik, Physik und Germanistik agieren und geben ihren Erfahrungsschatz bei der Entwicklung von KI-Systemen, Conversa- tion Design und Storytelling auf anschauliche Art und Weise weiter. Yann Beccard bildung+ science 2023 21









