MINT-BILDUNG Vor allem für den MINT-Unterricht eignet sich die Methode Design Thinking besonders gut. Denn sie fördert das interdisziplinäre Arbeiten in Gruppen, ohnehin oftmals Bestandteil ei- nes zeitgemäßen MINT-Unterrichts. Sehr ab- strakte MINT-Themen wie sauberes Wasser oder nachhaltige Energiegewinnung können mit Design Thinking zugänglich und erlebbar gemacht werden. Indem sich Schülerinnen und Schüler mit dem konkreten Kontext ei- ner Problemstellung sowie der Perspektive des Nutzers beschäftigen, entsteht auch ein Bezug zum Alltag. „Ich werde diesen Prozess mein Leben lang anwenden“ Internationale Umsetzungsbeispiele aus der Projektarbeit zeigen, wie der Ansatz Lehr- kräfte in einem zeitgemäßen, ganzheitlichen MINT-Unterricht unterstützt. In Südafrika et- wa, wo das Projekt in Kooperation mit der ge- meinnützigen Einrichtung The Index Project 2019 initiiert und in Ko-Kreation mit MINT- Lehrkräften weiterentwickelt wurde, wird unter anderem an Themen wie Geschlech- tergerechtigkeit, nachhaltiger Konsum und Klimaschutz gearbeitet. Lilo MacLachlan, Chemielehrerin an der Deut- schen Internationalen Schule in Johannes- burg, bereitet ihre Schülerinnen und Schüler mit Design Thinking auf den südafrikani- schen Nachwuchswettbewerb für Naturwis- senschaften vor. Aber ihre Unterrichtsstunden sind auch ein gutes Training für das Leben i Informationen und Fortbildungen Sie sind Lehrer:in und interessieren sich für den Ansatz? Auf dem Medienportal der Sie- mens Stiftung finden Sie umfangreiche In- formationen zu Design Thinking als Unter- richtsmethode. Wenn Sie an einer Fortbildung interessiert sind, können Sie sich im gleichna- migen Bereich in eine Interessiertenliste ein- tragen und werden automatisch per E-Mail benachrichtigt, sobald die nächsten Termi- ne stattfinden. https://medienportal.siemens-stiftung.org/ de/fortbildungen https://www.siemens-stiftung.org/projekte/ design-thinking-in-mint/ nach der Schule. „Mit Design Thinking sind die Projekte greifbarer geworden und haben einen tatsächlichen Sinn“, sagt sie. „Wir be- fassen uns mit Problemen aus dem echten Leben und die Schülerinnen und Schüler spü- ren, dass dies einen Unterschied macht und hilfreich ist. Sie sind risikofreudiger und las- sen auch Fehler zu.“ Wie vielfältig Design Thinking auf das ech- te Leben außerhalb der Schule vorbereitet, haben die Schüler:innen der Floreat Prima- ry School im Herzen des Arbeiterviertels im Süden Kapstadts erlebt. Moderiert von Lehre- rin Kristi Jooste nutzten die Siebtklässler den Prozess für Projekte zu Meeresökos ystemen nach SDG 14: Leben unter Wasser. Ein Schüler erkannte sofort, welches Potenzi- al die Methode zur Vorbereitung auf die High School birgt: „Ich glaube, ich werde diesen Prozess mein Leben lang anwenden, auch au- ßerhalb der Schule. Vielleicht für ein Vorstel- lungsgespräch, wenn ich mich auf die High School vorbereite. Ich könnte die Dinge bes- ser identifizieren: Warum bin ich nervös? Wie überwinde ich meine Angst? Das wäre wirk- lich sehr hilfreich!” Seit 2021 wird das Pro- jekt in Kooperation mit der Hasso-Plattner d-school Afrika fortgeführt – Afrikas erster Design-Thinking-Schule. In Chile wirken Schulprojekte gar in lokale Communities hinein und stellen damit sehr konkreten Bezug zur Lebensrealität von Schüler:innen her. So wurden beispielswei- se in einem Projekt zur Waldbrandgefahr in der Gemeinde San Felipe die lokale Feuer- wehr, Forstwirte und Geografen mit einbe- zogen, um die Problematik besser zu ver- stehen. Konkrete Lösungsansätze, die die Schüler:innen in Teams entwickelt haben, wurden der Schulgemeinde und Forstbehör- de vorgestellt und teilweise realisiert, wie et- wa ein interaktives Buch zur Waldbrandprä- vention für Vorschulkinder. Und auch wenn die Lernerfahrung während des Prozesses im Fokus steht, leisten tatsächlich realisierte Lösungen einen wichtigen Beitrag zur Selbst- wirksamkeit von Lernenden. Kollaborative Zusammenarbeit wird bei die- sem Ansatz nicht nur bei Schüler:innen geför- dert. In Chile etwa haben sich aus dem Projekt heraus Lehrkräfte in professionellen Lernge- meinschaften organisiert und tauschen sich monatlich – mittlerweile quer über den gan- zen Kontinent hinweg – über ihre Erfahrungen und Ansätze mit der Methode aus. Für den deutschen Bildungskontext koope- riert die Siemens Stiftung mit der HPI School of Design Thinking in Potsdam, Europas ers- ter Innovationsschule ihrer Art. Ab Herbst 2022 werden modulare Fortbildungen für De- sign Thinking im MINT-Unterricht im Blen- ded-Learning-Format angeboten, die virtuel- le Sessions mit kollaborativer Arbeit vor Ort kombinieren. Sinnvolle Ergänzung Eine hochwertige MINT-Bildung leistet einen zentralen Beitrag, die Herausforderungen un- serer Zeit zu bewältigen und Zusammenhän- ge zu verstehen: Klimawandel, Gesundheit, Digitalisierung, Energieversorgung – viele dieser Themen basieren auf MINT. Auch die für die Naturwissenschaften typischen Ar- beitsweisen wie das Entdecken, Erforschen und Experimentieren leisten – übertragen auf den Unterricht – hier einen zentralen Beitrag. Design Thinking kann eine sinnvolle Ergän- zung bieten. Design heißt Gestaltung. Design Thinking stärkt – so zeigen die bisherigen Erfahrun- gen und Rückmeldungen – Gestaltungs- und Handlungskompetenz, bei Schüler:innen wie bei Lehrenden. Die Methode bietet Hoffnung in einer Zeit voller Dystopie. Schüler:innen ge- stalten eine Zukunft, welche anders aussehen wird als unsere heutige Welt. Und dafür brau- chen sie jetzt die besten Voraussetzungen. Christine Niewöhner Siemens Stiftung i Über die Autorin Christine Niewöhner verantwortet das The- ma „MINT & Kreativität“ in der Siemens Stif- tung und leitet das Projekt „Design Thinking in MINT“, welches naturwissenschaftliche Bil- dung mit kreativen Prozessen verknüpft und damit junge Menschen ganzheitlich fördert. Sie ist davon überzeugt, dass Kreativität so- wohl für die persönliche Entwicklung als auch für die Bewältigung zukünftiger Herausforde- rungen essenziell ist. bildung+ science 2022 15
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