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Future education Foto: Ruhr-Gymnasium Witten Foto: Conrad Electronic Evolutionsgeschichte aus dem 3D-Drucker für den Biologieunterricht am Ruhr-Gymnasium in Witten Gegenüber, seine Gedanken und seine Neu- gierde ernst nehmen, wird Lernen lustbeton- ter und das Ergebnis besser.“ Dass die Lehrkraft weniger und die Klasse mehr macht, ist ihm zufolge der Schlüssel für erfolgreiches entdeckendes Lernen. Die Lehrkraft sieht er in der Rolle des Coachs, der natürlich eine grobe Vorstellung vom Thema hat. Richtung und Inhalte bringen jedoch die Lernenden selbst ein. Das bringt eine veränderte Lehrerrolle mit sich, über die sich die Lehrkaft bewusst sein muss. „Wie jeder gute Trainer trete ich einen Schritt zurück und begleite den Prozess", er- klärt Schultz. „Das heißt auch, dass ich mich davon verabschiede zu denken, dass ich al- les besser weiß oder selbst machen muss.“ Vielmehr sei das Gegenteil der Fall: „Wir Lehr- kräfte müssen anfangen, die Angst vor die- sem Kontrollverlust zu genießen!“ Das Geheimnis einer guten Projektarbeit Das Geheimnis guter Projektarbeit besteht für ihn darin, mit einer offenen Frage anzufan- gen, Anreize zu setzen und den Schüler*innen das Selbstvertrauen zu geben, aus ihrer Kom- fortzone zu treten. Voraussetzung sei jedoch, klare Themenfelder vorzugeben und vorab eindeutige Kriterien für die anschließende Be- urteilung zu definieren. In diesem Zusammenhang erzählt Jarl Schultz von einer Schülerin, die im Fach Philo- sophie eine Arbeit über eine Bloggerin schrei- ben wollte. Für ihren Lehrer hatte das Thema definitiv zu wenig Substanz für einen Philoso- phiekurs, also hat er seiner Schülerin die Na- men verschiedene Philosophen und Soziolo- gen genannt. „Daraufhin hat sie angefangen zu recherchieren, sich im Zuge dessen für die Theorie der Consumer Identity entschieden und eine hervorragende vergleichende Ab- handlung geschrieben, bei der ich als Lehr- kraft noch was lernen durfte“, berichtet der heutige Schulleiter. Im ersten Schritt ist entdeckendes Lernen für Jarl Schultz also eine pädagogische Grund- haltung. „Als Lehrkraft muss ich aushalten, dass sich die Kids selbst auf den Weg ma- chen und sich vielleicht auch mal verirren“, findet er. Und bietet ihnen dann freundliche Hilfestellung an. Entscheidend ist aus sei- ner Sicht, dass jeder Veränderungsprozess in einer Schule vom Kollegium mitgetragen wird. Die größten Investitionen in neue Pro- dukte und Weiterbildungen bringen ansons- ten nichts: „Als Schulleitung muss ich offen sein für Ideen und klären, wer zu welchem Zeitpunkt bereit ist, sich auf neue Unterrichts- formen einzulassen. So gesehen muss also erst mal das Kollegium und jede Lehrkraft für sich den Prozess des entdeckenden Ler- nens durchlaufen, bevor es als Konzept an der Schule implementiert werden kann.“ Von- und miteinander lernen Auch das richtige Equipment für das jeweili- ge Fach ist entscheidend, findet Schultz: Phi- losophie oder Fremdsprachen brauchen IT und Computer, mit denen man recherchie- ren, Filme schauen, Konferenzen machen und interaktiv arbeiten kann. In Mathe hel- fen 3D-Modelle für die Körperberechnung oder ein Whiteboard, um Kurven schnell skiz- zieren zu können. Im MINT-Unterricht kann man die Schüler*innen einen Roboter kons- truieren und programmieren lassen. Und in Deutsch dürfen sie mit Google Docs auch mal gemeinsam in einem Dokument arbeiten und sich als Co-Autoren betätigen. In jedem Fall sollten die Gegenstände, um die es im Fach gehen soll, präsent und die Aufträge an die Schüler*innen offen sein, damit sie sich infor- mieren und experimentieren können, um das Thema zu ihrem eigenen zu machen. Im Makerspace der DSG gibt es zum Beispiel Lasercutter, 3D-Drucker und natürlich Com- puter fürs Bedienen der Geräte. „In Kombi- nation mit Elektronik lassen sich da fantasti- Das Handbuch 3D-Druck ist ein praktischer Leitfa- den für Bildungseinrichtungen sche Sachen bauen“, berichtet der Schulleiter. Er scheut sich aber auch nicht, den Finger in die Wunde zu legen: „Wir brauchen definitiv noch mehr technisches Know-how, um wirk- lich alles aus den Geräten herauszuholen.“ Woran es hapert, ist nicht der Wille, sondern schlichtweg die Zeit zur Weiterbildung. Um in diesem Punkt weiterzukommen, gibt die DSG Verantwortung ab und hat eine Koope- ration mit einem Unternehmen in der Region i Das Conrad Education Team Mit fast 100 Jahren Firmengeschichte im Rücken ist der Technik- und Elektronik- händler Conrad Electronic verlässlicher Beschaffungspartner, wenn es ums opti- male technische Equipment fürs Klassen- zimmer geht. Mit dem Conrad Education Team geht das Unternehmen noch einen Schritt weiter und versteht sich als um- fassender Dienstleister, der Schulen be- ratend auf ihrer Digitalisierungsreise be- gleitet und bei Projekten unterstützt. Mit digitalen Endgeräten, kreativen MINT-Lö- sungen und dazu passenden Fortbildun- gen gibt das Team Lehrkräften konkrete Ideen für den Einsatz innovativer Unter- richtskonzepte an die Hand. www.conrad.de/education bildung+ schule digital 1 | 2022 29

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Future education etabliert, um dort Schüler*innen weiterbilden zu lassen. So werden sie zu Early Adopters, und gleichzeitig zu Wissensmultiplikatoren für Schule und Kollegium. Schädelmodelle aus dem 3D-Drucker Derartigen Herausforderungen begegnet auch Florian Ebner in seinem beruflichen All- tag. Seit 2007 arbeitet der Münchner beim Technik- und Elektronikspezialisten Conrad Electronic. Gerade mit Blick auf seine Bil- dungskunden hat sich der traditionsreiche Omnichannel-Händler dazu entschieden, nicht einfach nur Produkte zu verkaufen, son- dern ein eigenes Education Team etabliert (siehe Kasten). Seit fünf Jahren ist Florian Eb- ner Teil dieses Teams, gibt seine technische Expertise in Workshops für Lehrkräfte weiter und unterstützt bei Schulprojekten. Ein Lehrer an einem Gymnasium in Witten bei- spielsweise wollte jedem Kind das im wahrs- ten Sinne greifbare Erlebnis ermöglichen, im Unterricht zur Evolutionsgeschichte einen Schädel in der Hand zu halten. Da das mit der vorhandenen teuren Schädelreplik aus Gips jedoch nicht realisierbar war, hat er sich mit dem Wunsch an Conrad gewandt, eigene Schädelmodelle mithilfe von frei im Internet zugänglichen 3D-Dateien zu drucken. Ideen zur Einrichtung eines Makerspace Für die schnelle und effiziente Umsetzung dieser Idee war externes Know-how im Um- gang mit dem 3D-Drucker unerlässlich. Mitt- lerweile sind diverse 3D-gedruckte Schädel aus verschiedenen Epochen als Sortierkas- ten verfügbar, die dann im Unterricht der Rei- he nach geordnet werden können. Basierend auf dieser und anderen spannenden Praxisan- forderungen ist bei Conrad ein Handbuch zur Einführung ins Thema 3D-Druck entstanden, das Bildungseinrichtungen bei der Integrati- on dieser Technologie in den Unterricht un- terstützt und kostenlos als Download zur Ver- fügung steht. Die Bandbreite an Möglichkeiten, MINT-The- men den Schüler*innen aktiv zugänglich zu machen, ist riesig. Dementsprechend schwer fällt es, den Überblick zu behalten. Im Con- rad-Makerspace-Showroom in Hürth bei Köln können Schulen deshalb nicht nur innovative digitale Klassenraumausstattung und moder- ne Raumkonzepte entdecken, sondern auch moderne Lernmittel wie 3D-Drucker oder Messtechnik sowie MINT-Lerntools von Ro- boterbausatz bis Electronic Adventure Kit ei- nem Praxistest unterziehen. Auch Schulen, die sich aktuell mit dem Gedanken tragen, ein Makerspace einzurichten, erhalten dort Bera- tung zu unterschiedlichen Fördermöglichkei- ten seitens des Bundes, der Länder, von Stif- tungen oder Herstellern. Aha-Erlebnisse für Digital Natives Bei den Kindern und Jugendlichen Aha-Erleb- nisse auszulösen, das ist für Florian Ebner der entscheidende Ansatzpunkt: „In der Lebens- welt der Digital Natives ist ja tatsächlich un- fassbar viel digital. Sie sind es gewohnt, mit Alexa oder Siri zu sprechen – und im Wohn- zimmer gehen die Rollläden hoch“, beschreibt der Conrad-Experte die Ausgangssituation. Die Hauptaufgabe von entdeckendem Ler- nen sieht er darin aufzuzeigen, was hinter die- sen Prozessen passiert. Möglichst früh das Verständnis für digitale Strukturen zu fördern und jungen Menschen so praxisnah wie mög- lich algorithmisches Denken nahezubringen, darum gehe es. Denn dieses Verständnis sei unerlässlich, um sie fit für ihre berufliche Zu- kunft zu machen, findet Ebner. „Wenn man junge Menschen in ihrem digitalen Setting Foto: Conrad Electronic, Profistore Hürth Conrad-Showroom in Hürth: digitale Technik und MINT- Lernmittel live erleben 30 bildung+ schule digital 1 | 2022

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