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ben hierzu scheitern am Datenschutz, da die erhobenen Daten nicht ohne Weiteres weiter- verarbeitet werden dürfen. Das erschwert die Entwicklung neuer Lehr- Lern-Settings für das Lehramtsstudium, die allerdings von zentraler Bedeutung sind, denn Umgangs- und Kommunikationsfor- men, Wertvorstellungen und deren Entwick- lung in der digitalisierten Welt bilden einen unverzichtbaren Bestandteil des Lehr-Lern- Prozesses. Um dies in Lehr-Lern-Settings zu berücksichtigen, muss die Lehrkräfteausbil- dung offen für Innovationen sein. Curriculare Verankerung und digitale Transformation Ein wichtiger Bestandteil der HRK-Empfeh- lungen ist die curriculare Verankerung digi- taler Themen und Kompetenzen. Wenn sich Schüler:innen in einer digitalen Welt kompe- tent, souverän und selbstbestimmt bewegen sollen, müssen das auch die Lehrer:innen können, also die grundlegen Prinzipien der digitalen Welt kennen und algorithmische Strukturen in digitalen Werkzeugen identifi- zieren können. Laut HRK erstreckt sich die- ses Verständnis auf folgende Bereiche: ■ Informatiksysteme (etwa in den Bereichen Robotik, Sprachverarbeitung oder Simu- lation) ■ Umgang mit Daten (zum Beispiel Big Data, Datenschutz, Datensouveränität) ■ Lizenzproblematiken (mit Blick auf im Un- terricht genutzt Tools oder Apps) ■ künstliche Intelligenz. Digitale Medien und Technologien müs- sen sowohl für Schüler:innen als auch für Student:innen selbstverständliche Arbeits- mittel werden. Zusätzlich fordert die HRK dazu auf, stärker als bisher digitale Werk- zeuge in den Fachdidaktiken zu erforschen, um diese Werkzeuge mit Blick auf ihre fach spezifischen Potenziale weiterzuentwickeln. Außerdem weist die HRK darauf hin, dass die Transformation in eine digitale Gesellschaft auch Folgen für die Schulentwicklung hat. Daher muss in der Lehrkräfteausbildung be- rücksichtigt werden, wie die digitale Trans- formation die Institution Schule betrifft und ein Umdenken in der Schulentwicklung er- fordert. Die digitale Transformation zeigt sich vor allem im schnellen Wandel digitaler Werk- zeuge und Anwendungen. Social-Media- Plattformen wie etwa StudiVZ haben längst das Zeitliche gesegnet und selbst ein digi- tales Schwergewicht wie Facebook spielt bei Jugendlichen kaum noch eine Rolle und wird von Plattformen wie Instagram oder TikTok verdrängt. Lehrer:innen stehen vor der Herausforderung, sich mit diesen Medi- en auseinanderzusetzen und ihre Nutzungs- formen zu verstehen. Da dem Digitalen der stete Wandel innewohnt, ist ein sogenann- tes „lebenslanges Lernen“ notwendig. Das gilt allerdings auch für die Lehrenden an den Hochschulen. Deshalb fordert die HRK wissenschafts basierte Fort- und Weiterbildungsangebote, die eng mit der ersten Phase der Lehr- kräftausbildung verzahnt werden sollen. „Wir müssen unbedingt auch die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften in den Blick nehmen“, unterstreicht Prof. Dr. Oliver Gün- ther, HRK-Vizepräsident für Lehre, Studium und Governance, die Bedeutung dieses As- pekts. „Sie wird der aktuellen Problemlage nicht immer gerecht, das Angebot ist unüber- sichtlich und bedarf einer grundlegenden Re- form.“ Um jedoch die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften unter wissenschaftlichen Gesichtspunkten gestalten zu können, müs- sen die Lehrverpflichtungsverordnungen der Hochschulen sowie die entsprechenden Re- gelungen für Lehrkräfte an den Schulen an- gepasst werden. Forschung und Transfer Für die digitale Weiterentwicklung der Lehr- kräfteausbildung muss sich aus Sicht der HRK auch die Forschung wandeln. Dabei sollten digitale Forschungsansätze und -me- thoden zu Lehr-Lern-Prozessen in digitalen Settings und zur Digitalität als Inhaltskom- ponente von Lernprozessen fester Bestand- teil in lehramtsbezogenen Studiengängen werden. Darüber hinaus sollten die Digitalisierung bzw. ihre Auswirkungen auf Gesellschaft, Arbeit und Bildung verstärkt Gegenstand der Forschung sein. Um die Komplexität der Aus- wirkungen zu erfassen, sind interdisziplinä- re Forschungsvorhaben ebenso notwendig wie das Zusammenwirken von Fachwissen- schaften, Fachdidaktiken und Bildungswis- senschaften. Ganz konkret geht es der HRK darum, die Auswirkungen des Lernens mit digitalen Medien auf individuelle und soziale Lern- prozesse zu erforschen und wie der Trans- fer der Forschungsergebnisse sowohl in die Lehre als auch in die Fort- und Weiterbildung von Lehrkräften sowie die Qualifizierung von Quer- und Seiteneinsteiger:innen erfolgt. Ein Fokus sollte dabei nach Ansicht der HRK vor dem Hintergrund der Coronapandemie auf ein besseres Verständnis an der Schnittstel- le zwischen Schule und außerschulischem Lernen im Kontext von Familie und Gesell- schaft gelegt werden. Potenziale der Digitalisierung für Herausforderungen nutzen Dass es neben der Digitalisierung weitere Herausforderungen für eine Neugestaltung der Lehrkräfteausbildung gibt, ist auch der Hochschulrektorenkonferenz bewusst. In ih- rer sechsten und damit letzten Empfehlung geht es darum, wie die Potenziale Digitalisie- rung für diese Herausforderungen eingesetzt werden können. Dabei liegt die HRK ganz auf der Linie des DGB; wie etwa beim Stichwort Inklusion. Die Chancen, die sich durch die Digitalisierung im Rahmen einer individualisierten Betreu- ung von Schüler:innen mit besonderem För- derbedarf böten, würden laut HRK bislang nur „rudimentär genutzt“. Die Teilhabe über digitalisierte Formate kann sozioökonomi- sche Hürden überwinden, wird aber nur von einer leistungsfähigen digitalen Infrastruk- tur getragen, die es nach Ansicht der HRK zu verbessern gelte. Des Weiteren bietet die Digitalisierung die Chance zur Internationa- lisierung, auf vertiefte Einblicke in andere Lehr-Lern-Kulturen, wenngleich sie kein Er- satz für einen Auslandsaufenthalt darstellt. Die Lehrkräfteausbildung berücksichtigt seit jeher die Veränderungen in den Lebensbedin- gungen und in der Gesellschaft, weshalb sie sich ständig im Wandel befindet. Das muss sie auch bleiben, um zukünftige Lehrer:innen auf die Herausforderungen unserer Zeit an- gemessen vorzubereiten. Die Digitalisierung bietet hierfür die passenden Werkzeuge an. Die HRK rät jedoch dazu, sie wissenschafts- basiert und reflektiert einzusetzen. Marc Hankmann 6 bildung+ referendare 2023
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LEHRER WERDEN Schwanger im Referendariat Mutterschutz, Krankenversicherung, Elterngeld und -zeit Frauen, die im Referendariat ein Kind erwarten oder bereits eines erziehen, stehen vor einigen Herausforderungen, die auch mit Blick auf den oftmals stressigen Vorbereitungsdienst mit etlichen Prüfungen, Unterrichtsbesuchen oder Su pervisionen eine zusätzliche Belastung darstellen können. Daher ist es von Vorteil, wenn Schwangere über ihre Rech te Bescheid wissen. E igentlich ist der Beruf als Lehrkraft durchaus elternfreundlich, wenn man be- denkt, wie viel der Arbeit von zu Hause aus erledigt werden kann. Das bedeutet natür- lich nicht, dass man den Dingen ihren Lauf lassen kann. Der Nachwuchs hält nicht au- tomatisch still, nur weil Mama oder Papa Klausuren korrigieren muss. Die Erziehung muss organisiert werden. Das gilt vor al- lem für die Zeit während des Referendariats, denn die zusätzliche Belastung kann schnell überfordern. Doch auch das muss nicht der Fall sein, denn auch angehende schwange- re bzw. erziehende Lehrerinnen haben ihre Rechte. Mit Beginn des Referendariats ist die ange- hende Lehrkraft Beamt:in auf Widerruf. Ab- gesehen vom Lohn hat der Beamtenstatus weitere Vorteile: Stichwort soziale Leistun- gen. Ebenso wie alle anderen Lehrer:innen haben auch Referendar:innen einen An- spruch auf Elterngeld und Elternzeit und so- mit Referendarinnen auch auf Mutterschutz. Das bedeutet ganz konkret, dass der Vorbe- reitungsdienst unterbrochen und anschlie- ßend wieder aufgenommen werden kann. © stock.adobe.com, as-artmedia Eine Schwangerschaft während des Referendariats bringt neue Herausforderungen mit sich. Eine gute Planung und Beratung sind unerlässlich. Mutterschutz, Freistellung und Gefährdungsprüfung Eine Schwangerschaft sollte umgehend der Ausbildungsschule sowie dem Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung (ZfsL) mitgeteilt werden – am besten anhand einer ärztlichen Schwangerschaftsbescheinigung. Das ZsfL legt daraufhin den Mutterschutz fest. Er beginnt sechs Wochen vor und en- det acht Wochen nach der Geburt. In diesem Zeitraum werden die Bezüge weiter gezahlt. Wichtig zu wissen: Findet die Geburt vor dem errechneten Termin statt, wird der Zeitraum der sechs Wochen, der nicht in Anspruch ge- nommen werden konnten, an die acht Wo- chen nach der Geburt angehängt. Im Fall von Mehrlings- und Frühgeburten existieren gesonderte Bestimmungen für den Mutter- schutz. Nach dem Mutterschutz muss der Bezirksregierung und dem Landesamt für Besoldung und Versorgung die Geburtsur- kunde vorgelegt werden. Um eine sogenannte Gefährdungsprüfung durchführen zu können, wird die Referen- darin vom Unterricht freigestellt. Die Pflicht zur Teilnahme an Veranstaltungen des Zs- fL bleiben jedoch bestehen. Auch während der Gefährdungsprüfung werden die Bezü- ge weiterhin gezahlt. Im Rahmen der Prü- fung wird zum Beispiel der Immunstatus der schwangeren Referendarin geklärt. Eventu- ell werden Schutzmaßnahmen wie etwa die Befreiung vom Sportunterricht oder von der Pausenaufsicht ergriffen. Ist die Gefährungs- prüfung abgeschlossen, kann der Dienst wie- der aufgenommen werden. Referendar:innen haben einen Anspruch auf drei Jahre Elternzeit und Elterngeld. Die El- ternzeit kann bis zur Vollendung des dritten Lebensjahrs des Kindes genommen wer- den. Eltern können aber auch 24 Monate da- von auf den Zeitraum zwischen dem vierten und dem achten Lebensjahr schieben. Die bildung+ referendare 2023 7