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Nachhaltige Digitalisierung in der Lehrkräfteausbildung Hochschulrektorenkonferenz fordert mehr als zeitlich begrenzte Fördermaßnahmen Nicht zuletzt die teils bitteren Erfahrungen aus der Coronapandemie haben dazu geführt, dass die Schulung digitaler Kompetenzen in der Lehrkräfteausbildung oberste Priorität genießt. Hier herrscht großer Aufholbedarf, denn immer noch schließen junge Menschen ihr Lehramtsstudium ab, ohne dass sie essenzielle Digitalkompetenzen entwickeln konnten, um ihren zukünftigen Schülern einen souveränen Umgang mit der digitalen Welt zu ermöglichen. Deshalb meldet sich die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) zu Wort. Sie hat Empfehlungen zur Digitalisierung in der Lehr kräfteausbildung verabschiedet. Noch immer spielen die Auswirkungen der Digitalisierung eine zu geringe Rolle in der Lehrkräfteausbil- dung. Die Hochschulrektorenkonferenz macht Empfehlungen, um dies zu ändern. D ieser souveräne Umgang beginnt bei Grundkenntnissen in der Informatik und reicht bis zu den Potenzialen digitaler Me- dien für die Förderung benachteiligter Kin- der und Jugendlicher. „Wir erleben täglich, dass das Wissen um die Funktionsweise di- gitaler Medien für das Leben in der digita- len Welt unverzichtbar und für eine stabile Demokratie essenziell ist. So kann es bei- spielsweise schwierig sein, objektive von interessengeleiteten Texten in sozialen Me- dien zu unterscheiden. Das muss erlernt und eingeübt werden – dabei spielt die Schule ei- ne wesentliche Rolle“, sagt Ex-HRK-Präsident Prof. Dr. Peter-André Alt, der sein Amt inzwi- schen an Prof. Dr. Walter Rosenthal von der Universität Jena abgetreten hat. Die Aufga- be der Hochschulen ist es, die angehenden Lehrer:innen auf diese Herausforderun- gen adäquat vorzubereiten und die Digita- lisierung in die Lehramtsstudiengänge zu integrieren. „Damit dieses gelingen kann, benötigen wir nicht nur eine Anpassung der Curricula durch die Hochschulen, sondern auch eine leistungsstarke digitale Infrastruk- tur und Personal, das eine Brücke zwischen Technik und didaktischer Anwendung schla- gen kann“, erklärt Alt. Dazu seien den Worten des HRK-Präsidenten folgend weitere Res- sourcen für die Hochschulen nötig. Qualitätsoffensive Lehrerbildung Die Politik hat auf diese keineswegs neuen Anforderungen reagiert und im Rahmen der © stock.adobe.com, ARMMY PICCA Qualitätsoffensive Lehrerbildung mit dem Schwerpunkt „Digitalisierung in der Lehrer- bildung“ bislang bundesweit 91 Projekte an 72 Hochschulen gefördert. Den Angaben des Jahresberichts 2023 zur Qualitätsof- fensive Lehrerbildung werden damit knapp 60 Prozent aller lehrkräftebildenden Hoch- schulen in Deutschland abgedeckt. Über 90 Prozent der geförderten Projekte haben die Förderung digitalisierungsbezogener Kom- petenzen auszubildender Lehrer:innen zum Gegenstand. Die Qualitätsoffensive Lehrerbildung läuft allerdings planmäßig Ende des Jahres aus, obwohl sich Stimmen mehren, die eine Fort- führung für sinnvoll halten. Mitte März 2023 veröffentlichte die Kultusministerkonferenz (KMK) Maßnahmen zur Bekämpfung des Lehrkräftemangels. Unter anderem fordert die KMK den Bund auf, über die Fortführung der Qualitätsoffensive zu verhandeln. „Die Ende 2023 auslaufende Qualitätsoffensive Lehrerbildung muss unbedingt weitergeführt werden“, fordert auch die stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Gewerkschafts- bunds (DGB) Elke Hannack. Ihrer Meinung nach blieben die arbeitserleichternden Po- tenziale der Digitalisierung „weitgehend un- genutzt“. Um auch diese Potenziale zu heben, setzt Bundesbildungsministerin Bettina Stark-Wat- zinger auf sogenannte Kompetenzzentren für digitales und digital gestütztes Unter- richten in Schule und Weiterbildung. Hinter diesen Zentren stecken Forschungsverbün- de, zusammengesetzt aus Hochschulen und 4 bildung+ referendare 2023
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LEHRER WERDEN außeruniversitären Forschungsinstituten. In den Kompetenzzentren sollen die Akteure der Lehrkräftebildung zusammenkommen. „Wir investieren bis 2026 bis zu 205 Millio- nen Euro in Forschung und Entwicklung qua- litativ hochwertiger Fortbildungsangebote“, kündigte Stark-Watzinger Mitte April 2023 bei der Eröffnung des ersten Kompetenz- zentrums an. Entwicklungs- und Freiräume Neben der Qualitätsoffensive Lehrerbil- dung hat auch die Stiftung Innovation in der Hochschullehre das Thema „Hochschul- lehre durch Digitalisierung stärken” aufge- griffen. Sowohl an diese als auch an die Förderung im Rahmen der Qualitätsoffen- sive will die HRK mit ihren Empfehlungen anknüpfen. Dabei versteht die HRK digitale Medien als Erweiterungen und Ergänzungen des Präsenzunterrichts in der Schule. Des- wegen müssen für Student:innen, aber auch für Lehrende an den Hochschulen Freiräume geschaffen werden, damit sie Lernformate, Medien und Methoden kreativ erproben und mit Blick auf ihre didaktische Tauglichkeit für den Unterricht empirisch begründen und theoretisch reflektieren können. Den Leh- renden an den Hochschulen wird die Auf- gabe zuteil, diese Reflexionsfähigkeit sowie die Entwicklung digitaler Kompetenzen für Student:innen gezielt zu fördern. In diesem Zusammenhang versteht die HRK die Hoch- schulen als Entwicklungsräume, in denen nicht nur die Lernenden, sondern auch die Lehrenden die erforderlichen digitalen Kom- petenzen erwerben können. Die HRK ist sich der Größe dieser Heraus- forderung bewusst. Aus ihrer Sicht reichen daher zeitlich begrenzte Fördermaßnahmen, wie zum Beispiel die Qualitätsoffensive Leh- rerbildung, nicht aus. Stattdessen bedarf es einer substanziellen und nachhaltigen finan- ziellen Grundförderung. Schließlich reicht es nicht aus, lediglich die Curricula im Lehr- amtsstudium weiterzuentwickeln. Zusätzlich bedarf es neuer Professionen mit integrier- ten fachlichen und technischen Kompetenz- profilen, wissenschaftliches Personal muss gefördert werden und die entsprechende In- frastruktur muss eingerichtet und langfristig gesichert werden. Infrastruktur und rechtliche Rahmenbedingungen Die Bereitstellung und Pflege der erforderli- chen Infrastruktur und rechtssicherer Rah- menbedingungen ist dann auch die erste von sechs Empfehlungen der HRK und gleich- zeitig Grundvoraussetzung für die Digita- lisierung der Lehrkräfteausbildung – auch im Sinne einer bundesweiten und nationa- le Grenzen überschreitenden Vernetzung mit anderen Hochschulen, Forschungs- und Fortbildungseinrichtungen. Wie weit es mit den rechtlichen Rahmenbe- dingungen für den Einsatz von Technologien in Lehr-Lern-Szenarien und die Verwendung der dabei anfallenden Daten ist, offenbart der Jahresbericht 2023 der Qualitätsoffen- sive Lehrerbildung: Viele Forschungsvorha- Anzeige bildung+ referendare 2023 5